Service Reden 2009 > Bernhard Rohleder

 

11. Februar 2009
Gastvortrag anlässlich der Preisverleihung des digita 2009

 
 
Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer BITKOM

Frau Ministerin Heister-Neumann, Herr Professor Hendricks, sehr geehrte Damen und Herren - vor allem: liebe Preisträger!
Ich danke Ihnen Herr Professor Hendricks, dass Sie mich eingeladen haben. Es ist das erste Mal, dass ich hier auf der didacta bin. Ich kenne die CeBIT, ich kenne Technologiemessen, auf denen viel los ist - ich habe das Gefühl, hier ist noch mehr los. Ich bin beeindruckt von dieser Messe und dem Interesse, das traditionelle, aber auch neue Technologien finden - bei Lehrern, bei Schülern und bei anderen Beteiligten im Bildungswesen. Ich kann die Veranstalter nur beglückwünschen zu dieser Messe und auch zu diesem Forum Bildung.

 

 
  Reden 2016  
  Reden 2015  
  Reden 2014  
  Reden 2013  
  Reden 2012  
  Reden 2011  
  Reden 2010  
  Reden 2009  
  Reden 2008  
  Reden 2007  
  Reden 2006  
  Reden 2005  
  Reden 2004  
  Reden 2002  
  Reden 2001  

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht wie es Ihnen in der aktuellen politischen Situation geht. Aber ich habe in diesen Tagen und Wochen das Staunen wieder gelernt. Weniger wegen der Krise, als vielmehr wegen der zahlreichen Mittel, Instrumente und Medikamentationen gegen die Krise. Ich habe eine junge Tochter und bin überrascht worden, dass ich jetzt hundert Euro bekommen werde, mit denen ich die Krise bekämpfen darf. Die bekomme ich einmalig - ich brauche sie nicht, manche andere brauchen sie. Hoffentlich tauschen diese Menschen die hundert Euro nicht eher in chinesisches Plastikspielzeug, anstatt sich Dinge zu besorgen, die unserer Konjunktur hier in Deutschland zugute kommen.
Ich wundere mich auch, dass wir ein Multimilliardenprogramm auflegen, das dem Export von deutschen Gebrauchtwagen und dem Reimport von osteuropäischen, preiswerten, günstigen, vielleicht auch billigen Wagen dient. Sie wissen vielleicht, dass Sie mit der Abwrackprämie, und allem, was es sonst noch so gibt, einen Dacia, irgendwo zwischen VW-Golf und VW-Polo, 90 PS, fünf Plätze für ca. 5.000 Euro bekommen - als Neuwagen. Da fragt man sich, wer noch Jahreswagen aus Wolfsburg kauft!

 

Wir werden also zum Staunen gebracht - täglich neu. Da ist der Wirtschaftsminister, der mitten in der Krise die Brocken hinschmeißt, eher ein Apercu am Rande, als dass es ein besonderes Ereignis gewesen wäre.
Was ist passiert? Es gibt eine Finanzkrise und es gibt eine ganze Reihe von weiteren Krisen, die, wie ich meine, in teils zufälliger zeitlicher Koinzidenz mit der Finanzkrise zusammenfallen. Die Automobilkrise hat ein wenig damit zu tun, insofern als 60 Prozent der Neuwagen über die Banken der Automobilkonzerne finanziert werden, aber auch nur ein wenig. Wir stehen vielleicht an einem Paradigmenwechsel, wo wir jetzt erleben, was wir eigentlich für 2000/2001 angekündigt haben, nämlich den Wandel vom traditionellen Industriezeitalter zum moderneren Zeitalter der digitalen Ökonomie. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Automobilindustrie vielleicht in fünf oder zehn Jahren nicht mehr ihre Rolle als tragende Säule unserer Wirtschaft hat, dass sich die Automobilkonzerne grundsätzlich umbauen müssen zu Mobilitätskonzernen mit ganzheitlichen Konzepten, die öffentlichen Personennahverkehr genauso anbieten wie zum Beispiel Distance Learning, um Verkehrsleistung zu substituieren. Die deutschen Automobilbauer haben sich darauf nicht wirklich vorbereitet. Ebenso wenig haben sie sich auf das Auto der Zukunft vorbereitet, das definitiv ein Elektroauto sein wird, wo auch immer die Energie für den Elektromotor herkommt. Hier sind die Japaner deutlich voran. Hier besteht also eine Situation, von der wir sagen können, dass wir sie in Deutschland nur mit recht viel Mühe werden auffangen können.

 

Nun stellt sich die drängende Frage: Was ist zu tun?
Es wird immer wieder kritisiert, dass die aktuelle Politik eher ein Strohfeuer entfacht, als dass sie wirklich die Basis legt für den künftigen Aufschwung und damit auch gleichzeitig hilft, durch die aktuelle Krise hindurch zu kommen. Nun sind Konjunkturprogramme per se Programme, die ganz aktuell Effekte zeigen müssen. Wenn sie erst in zwei, vier oder sechs Jahren wirken, sind sie keine Konjunkturprogramme, sondern Strukturprogramme. Und gerade die brauchen wir auch.
Die politische Kunst besteht darin, jetzt mit konjunkturell sofort effektiven Maßnahmen dafür zu sorgen, dass wir gleichzeitig in zwei Jahren, wenn die Krise vorüber sein wird, nicht mit leeren Taschen dastehen, sondern dass wir die Grundlage gelegt haben dafür, dass wir in dem wieder beginnenden Aufschwung besser dastehen als andere Länder.
Hier gibt es zwei Ansatzpunkte. Der eine sind die Infrastrukturen, der andere ist die Bildung. Dies sind genau die beiden Bereiche, die über den Tag hinaus wirken. Aber wir sehen - und auch hier wundern wir uns wieder - dass, bei allen Verdiensten in der Infrastrukturpolitik, in Deutschland Bildungspolitik im Konjunkturprogramm mit der Maurerkelle und mit dem Malerpinsel gemacht wird. Wir wussten im BITKOM nicht, dass das in der Tat den Bildungssektor nach vorne bringt. Gewiss, es gibt in Deutschland im baulichen Bereich bei Schulen einen Investitionsstau von etwa vier Milliarden Euro: Es regnet durch die Dächer, Hausmeister sind damit beschäftigt, Eimer an die richtigen Stellen zu rücken, damit das Wasser nicht auf dem Boden steht. Da muss man sicherlich etwas tun, aber aus unserer Sicht ist das zu wenig.

 

Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Neue Medien in die Schulen kommen und wir müssen ebenso dafür sorgen, dass neue Lerninhalte in die Schulen kommen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir mehr und besser ausgebildete Lehrer haben, die sich mit den neuen Medien und den neuen Lerninhalten auskennen. Neue Medien, das sind zum Beispiel PCs. Da haben wir in Deutschland einen Schnitt von etwa einem PC je elf Schüler. Andere Länder sind weiter. Die Dänen sind bei einem PC je Schulbank. Bei Schülernotebooks - die Geräte kosten heute dreihundert bis vierhundert Euro - haben wir eine Relation von einem Schülernotebook je 131 Schüler. Das wäre nicht so schlimm, wenn wir wüssten, dass sich die Situation dynamisch nach vorne entwickelte, das tut sie aber nicht. In den letzten zwei Jahren haben wir die Verbreitungsrate Neuer Medien in den Schulen um keinen Deut verbessert. Wir treten hier auf der Stelle, ohne zu sehen, dass die Situation sich in kurzer Zeit tatsächlich ändern würde. Hier ist also in der Ausstattung einiges zu tun, aber ebenso in den Inhalten.

 

Womit setzen sich Schüler heute auseinander? Mit den Fragen: Was dürfen sie im Internet tauschen? Was sind erlaubte und was sind verbotene Downloads? Was kann man in Communities bei SchülerVZ, bei StudiVZ preisgeben? Wo beginnt die Eigenverantwortung beim Schutz der Privatsphäre? Wo beginnt die Verantwortung auch für andere? Das sind ganz neue Lerninhalte in der Schule wegen des Umgangs mit den Neuen Medien. Dafür treten wir ein und das gelingt sicherlich nicht mit dem aktuellen sogenannten Lehrkörper; wir brauchen auch neue und wir brauchen auch junge Lehrer in den Schulen. Wir plädieren dafür, dass gerade in der aktuellen Situation Stellen geschaffen werden für junge Lehrer, die selbst sogenannte digital natives sind, die mit den digitalen Technologien aufgewachsen sind, die auf Augenhöhe darüber mit den Schülern sprechen können und insofern glaubwürdige Vermittler eines neuen Wissens sind. Hier gibt es sicherlich viel zu tun. Ich kann Sie alle nur einladen, gemeinsam mit uns dafür zu sorgen, dass wir nicht nur Technologien, sondern dass wir eben auch diese neuen Lerninhalte und Lehrinhalte in die Schulen bekommen - und: Dass wir sie nicht erst in 2015, sondern dass wir sie möglichst schnell bekommen.

 

Ich habe vorhin gesagt, dass wir möglicherweise einen Paradigmenwechsel erleben, den wir vor zehn Jahren angekündigt haben. Ich glaube, wir sollten auch einen Paradigmenwechsel im Schulwesen erleben. Derzeit ist das Bildungswesen so aufgestellt, dass Schüler die einzelnen Klassenstufen durchlaufen und dann auf die, sagen wir mal, zweite Phase des Bildungsmarktes geworfen werden. Sie gehen dann entweder in eine Lehre oder an eine Hochschule, durchlaufen dort auch wieder die einzelnen Stationen und werden dann auf den Arbeitsmarkt geworfen, während sich die Universität auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Ich bin der festen Überzeugung, dass das auf Dauer nicht genügt, dass wir unser Bildungssystem umbauen müssen zu einem Bildungsdienstleistungssystem, das Schüler und Studenten ihr Leben lang begleitet und ihnen ihr Leben lang Lehr- und Lernangebote macht, gerade auch vor dem Hintergrund, dass das, was wir heute an den Universitäten lernen - insbesondere in den technischen Bereichen - in drei, in fünf Jahre völlig veraltet ist, dass viele, insbesondere mittelständische Unternehmen es nicht schaffen, das Wissen ihrer Mitarbeiter aktuell zu halten. Insofern ergeht also ein Auftrag an das Bildungssystem sich diesen neuen Erfordernissen anzupassen. Diese können befriedigt werden mit neuen Technologien - dafür gibt es die didacta - und dafür gibt es dieses Forum. Daher freue ich mich, dass jene Unternehmen und Persönlichkeiten hier ausgezeichnet werden, die solche neuen Technologien entwickeln und ich freue mich nun auf die Preisverleihung, vielen Dank

 
         Impressum
       Datenschutz