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Digitale Medien und ihre Bedeutung für den Schulalltag

 
Rede von digita-Schirmherrin Ute Schäfer, Ministerin für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen zur digita-Preisverleihung 2004.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zunächst einmal einige Jahre zurückblicken. Im Jahr 1995 verlieh das Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) gemeinsam mit der Stiftung Lesen und der Zeitschrift bild der wissenschaft zum ersten Mal den digita. Mit dem Preis wird damals wie heute Bildungssoftware ausgezeichnet, die sich durch besondere Didaktik und Nutzung des Mediums Computer auszeichnet. 1995 waren neue Medien noch wirklich neu.


 
 
Die Vorstellungen dessen, was Multimedia zu leisten vermag, stiegen in ebenso schwindelerregende Höhen wie die Börsenkurse. Der Medien-Rausch am Ende des letzten Jahrtausends hatte Illusionen entstehen lassen.
Das hat zu Recht kritische Stimmen herausgefordert - und nicht nur von Skeptikern. Der verstorbene englische Autor Douglas Adams - selber ein bekennender "Techie" - karikiert in seinem Roman "Der elektronische Mönch" hochgeschraubte Hoffnungen technikbegeisterter Wellenreiter dieser Zeit. Er berichtet von einem Planeten, auf dem elektronische Mönche gebaut werden. Diese Roboter waren dazu da, alles Mögliche und auch Unmögliche zu glauben, um ihren Besitzern diese lästige Aufgabe abzunehmen. So wie Spülmaschinen uns das Spülen abnehmen, Videorecorder für uns fernsehen und Anrufbeantworter unsere Telefonanrufe beantworten.
Nun hatte Mr. Adams nicht viel mit Schulentwicklung am Hut. Vielleicht hätte er sonst über eine Maschine geschrieben, die den Lehrerinnen und Lehrern das Unterrichten abnimmt und für Schülerinnen und Schüler das Lernen erledigt.

 
 
Aber eine solche Wunderwaffe haben wir nicht und sie würde uns gegen die ernüchternden PISA-Ergebnisse nicht viel helfen. Bleiben wir also auf dem Boden der Tatsachen:
Denn digitale Medien sind kein Allheilmittel, und sie werden in der Bildung nicht wie eine digitale Version des Nürnberger Trichters funktionieren.
Und trotzdem sind sie auch aus der Bildung - aus Schule, Hochschule und vor allem aus der Weiterbildung - nicht mehr wegzudenken. Auch die durchaus zahlreichen Skeptiker werden an dieser Tatsache nicht vorbei kommen.
Wir können heute nicht mehr auf die Vermittlung von Medienkompetenz in der Schule verzichten, müssen aber unseren Kindern und Jugendlichen gute und gleiche Startvoraussetzungen schaffen. Ob Eltern sich einen Computer leisten können - das darf nicht entscheidend sein für spätere Berufschancen der Kinder. Wir dürfen nicht zulassen, dass digitale Medien sozial begründete Chancenungleichheit noch verschärfen.

 
 
In Nordrhein-Westfalen haben wir seit einigen Jahren die Fundamente gelegt für den flächendeckenden Einsatz der Neuen Medien in unseren Schulen. Mittlerweile sind alle Schulen mit Computern ausgestattet, und fast alle haben einen Internetanschluss.
Mit der e-nitiative.nrw - Netzwerk für Bildung, einer gemeinsamen Aktion von Land und Kommunen haben wir eine Initiative für das Lernen mit Neuen Medien in Schulen ins Leben gerufen. Wir haben 54 lokale e-teams.nrw eingerichtet. Dort können Schulen und Schulträger vor Ort Unterstützung anfordern. Sie erhalten Beratung bei der Ausstattung mit Hardware und bei der Entwicklung von Medienkonzepten. Aber auch die Fortbildung dazu, wie Computer und Co. in den Unterricht sinnvoll integriert werden können.
Denn es geht nicht nur um instrumentelle Gesichtspunkte. Computer, Beamer und Internet in den Klassenzimmern bieten mehr als eine technische Hilfe; sind nicht einfach nur zeitgemäßer Ersatz für Tafel, Schwamm und Kreide.

 
 
Aber die Verfügbarkeit ist eine Sache - ihr Einsatz im Unterricht eine andere. Die digitalen Medien ergänzen die traditionellen Medien durch spezifische Leistungen. Ich nenne hier insbesondere die Aktualität und Verfügbarkeit von Informationen, Multimedialität und Interaktivität. Es geht darum, sie zu nutzen für die Bewältigung der Herausforderungen an Unterricht, Schule und Bildungspolitik, für die die PISA-Studie den Blick geschärft hat. Sie lassen sich auf wenige Punkte konzentrieren:
Die Verbesserung der individuellen Förderung, die Entwicklung der Qualität von Unterricht und Lernsituation, die Förderung selbstverantwortlichen und selbstständigen Lernens. Mit anderen Worten: Die Verbesserung der Lebens- und Teilhabechancen unserer Kinder und Jugendlichen in der globalen Lern- und Wissensgesellschaft.
Dies sind die Kriterien, an denen wir in Nordrhein-Westfalen seit langem die Förderung und Entwicklung des Medieneinsatzes im Unterricht orientieren.
Wir wissen inzwischen: Digitale Medien schaffen zusätzliche Gelegenheiten und Anreize für das Lernen. Dazu nur einige Beispiele:
- Das Internet macht tagesaktuelle Berichte über das Geschehen in aller Welt auch in der Schule verfügbar.
- Mit der Textverarbeitung werden Arbeitsergebnisse nicht nur ansprechender gestaltet, sondern für die gesamte Lerngruppe zugänglich. Teamarbeit kann effizienter organisiert werden.
- Interaktive Schaubilder oder Simulationen machen Strukturen und Zusammenhänge etwa in der Mathematik und in den Naturwissenschaften direkt nachvollziehbar.
- Gezielte Übungs- oder Trainingsprogramme ermöglichen individuelle Förderung der Schwächeren wie der Stärkeren.
- Über das Internet können Schülerinnen und Schüler miteinander kommunizieren, die räumlich weit voneinander entfernt sind. Das bietet Chancen etwa für den Sprachunterricht und auch für die internationale Verständigung.

 
 
Digitale und traditionelle analoge Medien stehen nicht in Konkurrenz, sie ergänzen sich. Das Schulbuch wird nicht überflüssig, es bleibt zentraler inhaltlicher Impulsgeber, aber es wird nicht mehr Ausgangs- und Endstation des Unterrichts sein.
Virtuelle Klassenräume ersetzen nicht den Präsenzunterricht, schon gar nicht ersetzen sie Lehrerinnen und Lehrer. Aber sie schaffen zusätzliche didaktische und methodische Möglichkeiten, können offene Unterrichtsformen und kooperatives Lernen, vor allem aber können sie Eigenständigkeit und selbstständiges Lernen erleichtern.
Ich bin ein wenig stolz darauf, dass wir in Nordrhein Westfalen diese Entwicklung seit langem systematisch begleiten und fördern. Wir stehen immer noch am Anfang einer sehr komplexen Entwicklung. Und ich bin überzeugt, dass wir - auch mit Blick über die Grenzen hinaus - die damit verbundenen Herausforderungen nur bestehen, wenn alle im Bildungsprozess Beteiligten - Land, Schulen und Bildungsverlage - gemeinsame Anstrengungen unternehmen. Dazu stehen wir mit den Bildungsverlagen in einem intensiven Dialog.

 
 
Und ich freue mich, dass ein ambitioniertes und innovatives Ergebnis dieses Dialogs neben vielen anderen spannenden Konzepten für die Verleihung des digita -Preises nominiert ist: "SelGO" als größtes Vorhaben in einem Bündel von derartigen Projekten unseres Hauses. In den Projekten erproben wir mit den kooperierenden Verlagen plattformgestützte Lernangebote - von der Lehrerfortbildung bis zu Förderangeboten in Hauptschulen. Die Erfahrungen, die wir seit nunmehr eineinhalb Jahren in diesen Projekten sammeln, sind ermutigend. Die Bereitschaft bei Lehrkräften und bei Schülerinnen und Schülern, sich auf neue Formen des Lernens einzulassen, ist hoch. Sie schätzen das auf die Bedürfnisse von Unterricht hin konzipierte Angebot, das qualitativ hochwertig und nutzerfreundlich ist.
Wenn digitale Medien so selbstverständlich und nachhaltig werden sollen wie das Schulbuch, dann müssen sie aber auch ähnlich erschwinglich werden. Ich nutze gern die Gelegenheit, alle interessierten Bildungsverlage einzuladen, den mit SelGO eingeschlagenen Weg gemeinsam fortzuentwickeln.

 
 


Mats Ekholm, der Leiter von Skolverket, der zentralen Schulbehörde in Schweden, hat in einem Zeitungsinterview betont, dass die Neuen Medien den Unterricht an den Schulen seines Landes deutlich verändert hätten - natürlich zum Besseren, wie er nicht vergaß hinzuzufügen.
Der deutsche Bildungssoftwarepreis digita treibt die Weiterentwicklung von Bildungssoftware und damit auch die Veränderung von Unterricht bei uns voran - Sie entschuldigen, wenn ich das Zitat wiederhole: Natürlich zum Besseren.

 
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